image-1981

SOMMERPAUSEN-TALK VOL. 12 MIT MARKUS STICH

Der Sommerpausentalk mit Markus Stich wurde von Peter Raitbaur – Schriftführer des TuS Steißlingen Abt. Handball – durchgeführt.

NameMarkus Stich
Spitzname
WohnortSteißlingen
Jahre beim TuS2008 – 2021
Ehem. RückennummerVorstand

Hallo Markus! Danke, dass du dich für dieses Gespräch bereit erklärt hast. Es ist der Abschluss der diesjährigen Sommertalk-Interviews und gleichzeitig ein Resümee deiner Tätigkeit als Handball-Chef beim TuS. Es geht heute nicht darum, nochmal die besonderen Highlights deiner 13 Jahre als Abteilungsleiter zu beleuchten. Mich – und hoffentlich auch die Leser – interessiert viel mehr, woher du kommst, wie du denkst und wo die Handball-Reise noch hingeht. Ganz allgemein bist du ja nicht nur ein Handballfan, sondern generell sehr an Sport interessiert. Wie hat sich das entwickelt und wie war deine erste Verbindung zu unserem Lieblingssport?

Ich bin ein geborener Singener Junge und dort aufgewachsen. Meine Freunde und ich waren in den 60er Jahren klassische „Straßenkicker“ und hatten jede freie Minute den Ball in der Hand oder am Fuß. Wir waren alle große FC Singen-Fans.

1992 – Als Fußballer bei den Alten Herren des FC Steißlingen

Gleichzeitig spielte damals die DJK Singen in der Handball-Oberliga und in der neu gebauten Münchriedhalle waren oft 1.000 Zuschauer. Das ist heute unvorstellbar. Dort habe ich oft und gerne zugeschaut. Meine Idole waren beispielsweise Bernd Tosch, Herbert Lohmüller oder Herbert Ring. Oder die Jungs, die ich aus der der Oberstufe des Gymnasiums kannte wie zum Beispiel Michael Wissert oder Michael Flötenmayer. Das sind alles Namen, die nur noch die alten Handballer kennen werden. Im Hegau- und später im Friedrich-Wohler-Gymnasium hatten wir im Sportunterricht oft Handball gespielt. Dort hatte ich es sogar in die Schulmannschaft geschafft – als Einziger, der nicht in einem Verein spielte. Wir waren wirklich gut und schafften es in der Oberstufe meistens bis ins Oberschulamts-Finale. Gegen die Schulen aus Offenburg waren wir dann aber chancenlos. Dort spielten wir dann gegen Koryphäen wie z.B. Erich Quarti, der schon im Kader der Nationalmannschaft stand. Mit 14 bin ich dann zum FC 04 Singen. Ich hatte im Fußball durchaus gute technische Fähigkeiten, aber wegen meiner wenig ausgeprägten Grundschnelligkeit und meiner Körpergröße landete ich mit 16 auf der Torwart-Position.

1980 – einer der letzten Auftritte als aktiver Torwart beim SV Welschingen (jetzt  Hegau FV) in der Bezirksliga

Zusammen mit Thomas Kuppel spielte ich dann in der höchsten A-Jugendklasse. Danach noch als Aktiver in der 2. Mannschaft des FC Singen und dem SV Welschingen, sogar teilweise als Feldspieler, in der Bezirksliga. Mit Mitte 20 habe ich dann meine Laufbahn als Fußballer beendet und mich mehr um Studium und Beruf gekümmert.

1983 – In einem Team zusammen mit Jörg Berger (Bundeliga-Trainer, vorne 1. von links) in einem Hotelteam in Kenia gegen eine “Buschauswahl”

An Sport jeder Art war und bin ich sehr interessiert. Gerade jetzt, bei den Olympischen Spielen, schaue ich fast alles an – außer Synchron-Schwimmen. Skifahren ist und bleibt eine meiner Leidenschaften. Ich habe viele Sportarten ausprobiert, aber ausschließlich aus Spaß an der Bewegung und als Freizeitbeschäftigung. Aktuell schau ich, dass meine Fitness und Beweglichkeit erhalten bleiben und ich nicht über die 100-Kilo-Marke komme.

Alles mal ausprobieren: Hier beim Canyoning in der Türkei

Du hast ja auch eine Vergangenheit mit der mittlerweile historischen HSG Singen-Gottmadingen. Wie kam das und was hast du da gemacht? Bis wann warst du dort engagiert?

Das stimmt. Das war ungefähr 1990. Wir hatten da schon in Steißlingen gewohnt und beruflich war ich bei einer großen Singener Firma für das Marketing verantwortlich. Die HSG SingenGottmadingen hatten damals die Vision, alle guten Spieler aus dem Hegau, wie z.B. Michael Huth, zurückzuholen und so den Handball im Hegau wieder zu pushen. Das hat mich fasziniert und ich bin mit unserem Unternehmen als Sponsor eingestiegen. Meine gesamte Familie hatte da einen sehr engen Bezug zum Team und wir waren mit einigen Spielern befreundet. Das war wirklich eine sehr, sehr schöne Zeit. Ich wurde dann aus der Mannschaft heraus gefragt, ob ich mich nicht auch persönlich engagieren möchte. Das habe ich gerne gemacht und von da an bis zum Ende der 90er-Jahre die Herren 1 gemanagt. Danach ging die Erfolgsgeschichte bei der HSG leider zu Ende. Wir wohnten seit 1984 in Steißlingen und unser Sohn Jonathan hatte das Handballspielen beim TuS begonnen. Er wechselte mit zwölf Jahren nach Singen, weil es dort in der Jugend bessere Perspektiven gab. Das hat man uns, besonders Jonathan und mir, sehr übel genommen und uns das auch spüren lassen – es hatte sogar zu einer Spaltung zwischen dem TuS und unserer Familie geführt. Ich wollte mit diesem Verein nichts mehr zu tun haben!

2004 – Vater und Sohn als Zuschauer – Beide noch ohne Funktion beim TuS

Diese gegenseitige Abneigung war dann aber glücklicherweise nicht von Dauer. Wie kam das zustande? Und wie kam es, dass du dann 2008 Abteilungsleiter wurdest?

Auch da spielt Jonathan eine Rolle. Für die Saison 2007/2008 sagte er dem TuS wegen seines Studienbeginns in Reutlingen zu, weil er damit nicht mehr weiter bei den Kadetten Schaffhausen spielen konnte. Ab da ging ich als Zuschauer wieder in der Halle. Der Fördervereinsvorsitzende Reinhold Maier knüpfte einen Kontakt zu mir. Es ging um die Unterstützung bei einem Pokal. Ich bin nicht sicher ob das der PML-Cup oder der Südkurier-Cup war. Jedenfalls fragte mich Reinhold dann auch noch, ob ich Zeit für ein persönliches Gespräch hätte, weil er mir ein Angebot machen wollte. 

Markus mit “Rückholer” Reinhold Maier und Olaf Weisse beim Fachsimpeln

Auf unserer Terrasse hat er mich dann gefragt, ob ich in der Vorstandschaft mitarbeiten wollte. Ich frage ihn, um was und um welche Position es ginge. Als er damit rausrückte, dass ein Nachfolger für Lothar Ray als Abteilungsleiter gesucht wurde, musste ich erst mal drüber schlafen und meine Familie nach ihrer Einschätzung fragen. Ich hatte schon immer Lust etwas zu bewegen, etwas zu gestalten. Und das kann man am besten von der Spitze weg. Mittlerweile war bei mir Gras über die alten Sachen gewachsen und deshalb sagte ich zu und wurde auch gewählt – von einigen sicher mit einer Portion Skepsis. Ganz einfach war der Start dann wirklich nicht – beim ein oder anderen gab es noch ein paar Reminiszenzen aus der Vergangenheit und nicht jeder fand mich gut. Aber das störte mich erst mal wenig, denn ich versuchte meinen Weg zu gehen und meine Vorstellungen umzusetzen. Ich muss tatsächlich sagen, dass das erste Jahr extrem schwierig war.

Lothar Ray und Markus Stich bei der Amtsübergabe – 2008

Die Herren 1 spielten gegen den Abstieg und wir mussten zu Weihnachten den Trainer wechseln. Außerdem sollten aus den Herren 2 drei Spieler zu den Herren 1 wechseln, weil wir große Verletzungssorgen hatten. Und die taten das nur widerwillig, aus unterschiedlichen Gründen. Das war für mich unverständlich, weil ich es immer für extrem wichtig hielt, die Erste und die Zweite eng miteinander zu verzahnen. Da war ich sehr froh, dass ich mit Edgar Scherr einen ganz loyalen Mitstreiter ab der Seite hatte, der mir einige sehr erfolgreiche Insider-Tipps gab. Nach der Anfangszeit warst du dann unumstritten. Lass uns einen Sprung nach vorne machen. 2015 beendete Jonathan seine aktive Laufbahn bei TuS und wurde Trainer der Herren 2 und eine Saison später übernahm er die Herren 1. Die Erfolge sind uns allen bekannt.

Markus und Jonathan nach ihrer Rückkehr in der Saison 2007/2008

Aber wie war das für dich als Vater und Chef gleichzeitig? Sahst du nie die Gefahr eines Interessenskonflikts? Es hätte ja sein können, dass du ihn bei Erfolgslosigkeit oder aus anderen Gründen hättest entlassen müssen. Das stelle ich mir schwierig vor.

Nein – das war wirklich nie ein Problem. Jonathan und ich ticken in diesen Dingen sehr ähnlich. Ich habe ihm die Aufgabe von Anfang an voll und ganz zugetraut. Wenn es, wider aller Erwartungen, nicht geklappt hätte, wäre er der Erste gewesen, der auf mich zugekommen und den Vertrag aufgelöst hätte.

Bety und Joni: 2006 – Ehefrau Betina und Sohn Jonathan nach einem Sieg in der Mindlestalhalle

Auch sonst gab es niemals einen Interessenkonflikt; er hat sich auf das sportliche konzentriert und ich auf den Rest. Und wir haben uns nie in das Ressort des anderen eingemischt. Als Abteilungsleiter musst du ja sowieso den gesamten Verein im Auge haben und nicht nur die Herren 1. Die Position des Abteilungsleiters ist niemals ganz einfach. Auf der einen Seite ist man der Prellbock für die Mitglieder für alles was nicht läuft. Auf der anderen Seite stehen etliche Stellen wie z.B. Gemeinde, andere Abteilungen usw. die auch alle berücksichtigt werden wollen.

Michael und Jonathan Stich nach dem Spiel in der BW Oberliga zwischen dem TuS Steißlingen und dem TV Weilstetten in der Mindlestalhalle in Steißlingen

Wie hast du das alles unter einen Hut gebracht?

Ich habe versucht, mir immer alle Argumente anzuhören und zu sortieren. Aus diesen Überlegungen heraus habe ich dann meine Vorschläge im Vorstand eingebracht, im Team diskutiert, gemeinsam entschieden und dann geschlossen nach außen vertreten. Den Kopf muss halt dann trotzdem der Chef hinhalten. So ist es auch in einem funktionierenden Betrieb. Natürlich kann man es nicht jedem recht machen. Das sollte man gar nicht erst versuchen. Ich selbst kann mir relativ schnell eine Meinung bilden, neige dann aber dazu, erst mal darüber zu schlafen um das Problem aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Aber wenn sich dann meine Meinung gefestigt hat, kann ich sehr dickköpfig sein und versuche diese Entscheidung konsequent durchzusetzen. Da braucht es dann schon sehr gute Argumente, um mich nochmal umzustimmen.

Auch an der Weihnachts-Feier wurde sich stets mit seinen Vorstandskollegen ausgetauscht

Du hast angekündigt, dass du nicht als „Oberkritiker“ in der Halle stehen wirst. Das nehme ich dir ab – aber ich will trotzdem wissen, welche Entwicklung du in den nächsten Jahren siehst? Wo sind die Chancen und Risiken für einen Verein in der Größe und mit der Struktur des TuS Steißlingen?

Erst einmal finde ich es großartig, dass die Damen und die Herren gleichermaßen im Fokus stehen und geschlechterübergreifend in Top-Ligen spielen. Das ist einmalig in der Region, das zeichnet diesen Verein aus und hebt uns von allen anderen regionalen Größen ab. Wir sind in der Vergangenheit sehr gut damit gefahren, mit den vorhandenen Mitteln den maximalen Erfolg zu suchen. Das ist uns mit Herren 1 und Damen 1 gelungen. Und das freut mich sehr und bin auch ein bisschen stolz darauf. Mehr wird wohl nicht möglich sein. Hoffen wir, dass wir solange wie möglich die jetzigen Spielklassen halten können.

Vieler solcher Momente konnten mit Markus als Abteilungsleiter gefeiert werden

Ich rate dringend dazu, keine finanziellen Abenteuer einzugehen, um des vermeintlich sportlichen Erfolges willen. Auf Dauer geht das schief. Ich bin aber zuversichtlich, dass die neue Vorstandschaft das genauso sieht. In den letzten Jahren haben wir die Strukturen in der Vorstandschaft Stück für Stück professionalisiert und die Aufgaben auf viele Schultern verteilt. Die Administration hat mit dem sportlichen Erfolg schrittgehalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich finde es toll, wer sich alles beim TuS engagiert und seine Fähigkeiten einbringt.

Markus bei seiner Abschiedsrede bei der Jahreshauptversammlung und Amtsübergabe an Julian Bergmann

Das ist ein gutes Omen für die Zukunft. Auch was im Umfeld der Spiele geschafft wurde, z.B. die Verpflegung, die Fankultur usw. ist absolute Klasse. Da steckt unendlich viel Fleiß und Engagement von den umtriebigen Ehrenamtlichen dahinter. Das alles ist vorbildlich und ein Markenzeichen unseres Handballvereins. Für die weitere Zukunft müssen wir es schaffen, dass die Kinder der Steißlinger ganz automatisch zum Handball kommen, wenn sie Sport treiben wollen. Deswegen ist es so wichtig mit dem Handballkindergarten und den Minis schon die Kleinsten abzuholen. Mit den Steißlingern alleine wird das aber nicht reichen. Wir müssen unseren Einzugsbereich auf den ganzen Hegau ausdehnen und versuchen, die Talente in der Region zu halten oder sie wieder zurückzuholen. Und da ist der TuS mittlerweile eine sehr gute Adresse.

Du hast den TuS gerne mit einem kleinen Unternehmen verglichen und versucht die Abteilung auch so zu führen. In der großen Wirtschaftswelt geht der Chef nach der Karriere gerne noch in den Aufsichtsrat um dort seine Erfahrung einzubringen. Besteht diese Chance auch bei dir?

Wenn es in unserem Handballverein die Position des Präsidenten geben würde, hätte ich mich beworben. So als Patriarch, a la Uli Hoeneß, hätte ich mich schon vorstellen können. Nein, Spaß beiseite: Ich werde ganz bestimmt keine offiziellen Ämter mehr beim TuS bekleiden. Das Kapitel ist beendet. Aber, wenn Not am Mann ist und ich für irgendwas gebraucht werde, helfe ich natürlich. Aber nur bei Aufgaben, die befristet sind und mir Freude bereiten.

Markus mit Erich Heimburger, welche zusammen 13 Jahre beim TuS in der Vorstandschaft gemeinsam aktiv waren

Tatsächlich habe ich schon einen neuen „Job“ übernommen: Ich gehe jetzt ein Stück weit zurück zu meinen Anfängen und werde Stefan Maier beim Management der Herren 1 unterstützen und entlasten. Stefan hat ja zusätzlich das Traineramt bei den Herren 2 übernommen. Das ist eine große Herausforderung für ihn und ich freue mich, dass ich ihm und dem TuS damit helfen kann. Allerdings ist klar, dass ich das nur für maximal ein Jahr machen werde und es danach eine andere Lösung geben muss.

Zum Abschluss noch eine ganz andere Frage. Wie sehr freut sich deine Frau Betina denn darüber, dass du jetzt so oft zu Hause bist?

Das musst Du sie selber fragen. Ich hoffe, unsere Ehe wird daran nicht scheitern. Aber im Ernst: Momentan ändert sich ja noch nicht allzu viel. Spannend wird es erst ab März 2022, wenn ich in Rente gehen werde und dann wirklich viel zu Hause bin.

Ab sofort wieder mehr Zeit fürs Skifahren

Ein bisschen werde ich auch nach meinem Renteneintritt in meinem eigenen kleinen Unternehmen arbeiten. Dazu haben wir beide genug mit Haus, Garten und Enkeln zu schaffen. Und dann werden wir beide ja weiterhin TuS-Fans bleiben und öfter wieder gemeinsam im Mindlestal vorbeischauen. Das sind doch schöne Aussichten…

Familien-Sommerurlaub zusammen mit den Enkeln Theo, Carla und Frau Bettina

Markus, ich bedanke mich für deine Zeit und wünsche dir und einer Familie alles Gute. Es ist schön, dass du uns erhalten bleibst.

Verabschiedung durch seinen Interview-Partner Peter Raitbaur bei der Jahreshauptversammlung – 2021

1987 – Freundschaftsspiel der AH des FC Steißlingen gegen die AH des FC Dornbirn.